Was sind Emotionen?

In unserem heutigen Sprachgebrauch werden Gefühle und Emotionen häufig wie Synonyme verwendet.

Als Coach mit Spezialisierung auf Emotionen finde ich es sehr interessant, dass KlientInnen mir oftmals sogar Körperempfindungen oder innere Bilder beschreiben, wenn ich nach Emotionen frage, während wir im Gespräch eine spezielle Situation erforschen. Bei angenehmen Emotionen fallen dann Begriffe wie „Wärme“ oder „hell“, bei unangenehmen kommen eher Aussagen wie „es wird eng im Hals“ oder ein „dunkles Knäuel in der Brust“ wird beschrieben.

Wie kommt das?

Normalerweise sind wir es nicht gewohnt, unsere Emotionen differenziert wahrzunehmen und genau zu benennen.

Und da Emotionen praktisch immer auch mit Assoziationen verknüpft sind, schalten sich sofort innere Bilder mit dazu, unser Verstand kramt Geschichten dazu heraus oder erfindet selbst welche, überlagert das Fühlen mit Interpretationen und Bewertungen. Daraus entstehen dann auch mal ziemlich unangenehme Zustände, die wir nicht haben wollen, und so lenken wir uns lieber schnell davon ab. Meistens jedoch ohne wirklich wahrgenommen zu haben, wozu die ursprüngliche Emotion eigentlich da war.

Dabei ist es so förderlich für unsere emotionale Intelligenz, wenn wir spüren können, was da in uns und mit uns los ist, und deshalb nehme ich das heute zum Anlass, über die Begriffe und Bedeutung von Emotionen, Gefühlen und Empfindungen zu schreiben.

Schließlich hilft uns das Verstehen und Einordnen der Emotionen auch, besser mit ihnen umzugehen.

Was sagt die Wissenschaft dazu?

Ich liebe es ja, wenn ich mich auf Forschungen beziehen kann, und da gibt es glücklicherweise mittlerweile eine Menge.

Eine gängige Definition lautet: Emotionen sind psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und Handlungsimpulse anregen.

Sie entstehen im limbischen System, dem sogenannten „Fühlhirn“. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs Basisemotionen definiert, die sich kulturübergreifend in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln (sogar bei Primaten) und die ebenso auf der ganzen Welt nonverbal sofort verstanden werden:

Freude, Angst, Überraschung, Ärger, Trauer und Ekel.

Ein Gefühl hingegen ist nach den Ausführungen des renommierten portugiesischen Neurowissenschaftlers António Damásio das Bewusstwerden einer Emotion als Körperempfindung, und über die Körperempfindung wird sie zur mentalen Repräsentation im Bewusstsein.

Die Begriffe „Gefühl“ und „Empfindung“ werden also ziemlich identisch verwendet und Emotionen gehen ihnen voraus.

Veranschaulichen wir es an einem Beispiel: Die 29-jährige Anna wird im Job bei einer Beförderung übergangen, was sie haarsträubend ungerecht findet.

Sie ist total verärgert und unmittelbar mit der Emotion Ärger treten Empfindungen und Körpersignale auf den Plan, wie ein Aufwallen in der Brust, die Augenbrauen ziehen sich zusammen, die Nasenflügel beben und ihre Lippen sind zusammengepresst.

Warum reagiert unser Körper auf Emotionen?

Emotionen weisen auf Bedürfnisse hin. Die Körperreaktion soll uns auf die Emotion und ein dahintersteckendes Bedürfnis aufmerksam machen, damit wir einen Impuls zu handeln bekommen.

Im Fall oben wäre das möglicherweise, dass bei Anna ein Wert verletzt wurde, der mit ihrem Gerechtigkeitssinn zu tun hat. Damit besteht das Bedürfnis, eine Ungerechtigkeit wieder auszugleichen. Der Körper stellt die Handlungsenergie dafür bereit.

Was wir als Emotion und daraufhin als Gefühl wahrnehmen, ist über körperliche (somatische) Sinneseindrücke spürbar wie Wellen von Energiebewegungen. Diese Bewegungen sind entweder zusammenziehend und/oder abwärtsbewegend (Anspannung, Verkrampfung) oder ausdehnend und/oder aufwärtsbewegend (Entspannung, Strömen).

Die Forscherin Barbara Frederickson hat dieses Phänomen des emotionalen Energieflusses unter anderem im Rahmen ihrer Broaden-and-build-Theorie beschrieben, die eine bedeutende Säule in der Positiven Psychologie darstellt.

In der Theorie geht es darum, dass angenehme Emotionen die kognitiven Denkprozesse und den Handlungsspielraum erweitern.

Die Bewegung von Energie spiegelt sich auch in unserer Sprache wider: Das Wort Emotion ist vom Lateinischen „emotere“ abgeleitet, das wörtlich „Energie in Bewegung“ bedeutet. Im Englischen ist es noch deutlicher zu erkennen: emotion = energy in motion.

So entstehen in verschiedenen Körperbereichen Empfindungen, wie bei Ärger das Aufwallen in der Brust oder die Anspannung der Gesichtsmuskeln.

Die Körperreaktion hängt dabei auch direkt mit unserer Biologie und dem Hormonsystem zusammen. Ärger steht neurobiologisch in Verbindung mit dem Hormon Testosteron.

Der soziale Aspekt von Emotionen

Emotionen entstehen im zwischenmenschlichen Miteinander und wir teilen sie über Gesichtsausdruck und Körpersprache nach außen an unser Umfeld mit. Manchmal mehr als uns lieb ist, wenn uns etwas „ins Gesicht geschrieben steht“, das wir lieber verborgen hätten.

Aufgrund all dieser Aspekte erlauben wir uns eine erweiterte Definition:

Emotionen sind kurze, bio-psycho-soziale Reaktionen auf spezifische Ereignisse, und Gefühle und Empfindungen sind ihre Übersetzung in unser Bewusstsein.

Sie dienen als Trägerwellen für unser gesamtes Gefühlsspektrum.

Was macht Anna nun mit ihrem Ärger?

A) Sie unterdrückt ihn und sagt nichts. Vielleicht ist es morgen vergessen, vielleicht ärgert sie sich auch noch ziemlich lange im Stillen.

B) Sie wartet ab, bis sie sich etwas gefangen hat, und spricht die Sache dann in einem ruhigen Moment an.

Oder C) Sie ist so aufgebracht davon, dass sie direkt losstürmt und ihrem oder ihrer Vorgesetzten direkt die Meinung sagt.

Was, glaubst du, ist die Variante, die am meisten Erfolg verspricht? Wie wahrscheinlich ist es, dass Anna konstruktiv mit der Situation umgehen kann, und wovon wird es abhängen, ob ihr das gelingt?

Je besser unsere Fähigkeiten sind, unsere Emotionen, Gefühle und die damit zusammenhängenden Bedürfnisse wahrzunehmen, desto besser sind wir in der Lage, mit emotionalem Stress umzugehen. Die Forschungen zur Körper-Geist-Verbindung können immer besser untermauern, wie emotionaler Stress mit unserer körperlichen Gesundheit und unserem Wohlbefinden zusammenhängt. Fünf Minuten unterdrückter Ärger reichen aus, um unser Immunsystem für sechs Stunden zu schwächen.

Das sind doch gute Gründe, sich eingehender mit seinem emotionalen Innenleben zu befassen!

In diesem Sinne, sorge gut für dich.

Alles Liebe
Silvia

[Photo credit to Enrique Meseguer auf Pixabay]