Multitasking – Moderner Mythos?

„Ach was, das geht schon, ich bin multitasking-fähig!“ Das hab ich früher gern von mir behauptet. Allerdings wusste ich zu dem Zeitpunkt selbst nicht so genau, was das eigentlich heißt.

Also bin ich mal forschen gegangen. 

Ein Test

Ein Freund hat mir vor Kurzem eine Begebenheit dazu erzählt. Er war auf einem Vortrag von Alexander Hartmann, der ein sehr anschauliches Experiment durchgeführt hat. Er holte einen Gast aus dem Publikum auf die Bühne und trug ihm auf, den Satz „Multitasking ist eine Lüge“ auf eine Tafel zu schreiben, und dabei unter den ersten Buchstaben eine 1 zu schreiben, unter den zweiten eine 2 usw.. Er stoppte dabei die Zeit.

Das Ergebnis: 54 Sekunden, 3 Fehler.

Danach trug er dem Gast diese Aufgabe noch einmal auf, allerdings sollte er diesmal zuerst den ganzen Satz schreiben, dann die Zahlen unter die jeweiligen Buchstaben setzen.

Das zweite Ergebnis: 23 Sekunden, 1 Fehler.

Spannend, oder?

In der Psychologie hat man herausgefunden, dass das menschliche Gehirn nicht fähig ist, mehrere komplexe Aufgaben auf einmal zu bearbeiten, nicht einmal zwei.

In Situationen wie dem ersten Durchlauf der Übung oben ist es jedoch so, dass das Gehirn sehr schnell zwischen den beiden Aufgaben wechselt, in diesem Fall zwischen Wörtern und Zahlenreihen. Dieser Wechsel geht so schnell, dass wir es subjektiv so empfinden, als könnten wir beides gleichzeitig. Doch dabei geht einiges an Details, Merkfähigkeit und Sorgfalt verloren, vor allem unter Zeitdruck. Es versetzt uns in Stress und bringt nicht einmal ein besseres Ergebnis. Je mehr wir also versuchen, vieles gleichzeitig zu erledigen, desto schlechter die Qualität. Und es ermüdet. Die Fehler passieren, weil wir im Kopf schon bei der nächsten Aktion sind, während wir noch mit der aktuellen beschäftigt sind.

Was wir allerdings tatsächlich können, ist während Routinearbeiten wie Gemüse schälen, Joggen, Autofahren oder Bügeln die Gedanken abschweifen lassen. Das geschieht meistens unbewusst. Doch das setzt voraus, dass wir eine Tätigkeit stark automatisiert haben. Und so ist es schon ziemlich normal geworden multi zu tasken. Beim Kochen telefonieren, vor dem Bildschirm essen, beim Kaffeetrinken WhatsApp-Nachrichten beantworten oder beim Fernsehen nebenher auf Facebook surfen. Es gibt so viel zu tun, und so viel zu verpassen, unser Gehirn ist ständig in Action.

Leider hat es auch einen Preis, wenn die Aufmerksamkeit gesplittet ist. Messungen zufolge ist die Aufmerksamkeit von Autofahrern, die während der Fahrt telefonieren, auch über Freisprechanlage, so stark reduziert, als hätten sie 0,8 Promille Alkohol im Blut…

Achtung: Gewöhnungseffekt

Das menschliche Gehirn liebt Muster. Wenn es oft genug schnell zwischen verschiedenen Aktivitäten hin und her wechseln muss, gewöhnt es sich an diesen Zerstreuungs-Modus und so können wir uns irgendwann nicht mehr längere Zeit auf eine Sache konzentrieren. Wir werden anfälliger für Störungen und wir vergessen viel eher, was wir getan, geschrieben und gesehen haben. Das kann so weit gehen, dass wir nicht mehr wissen, was wir letzte Woche gemacht haben, ohne in den Kalender oder den E-Mailausgang zu kucken, und irgendwann nehmen wir unseren Alltag als oberflächlich wahr.

Die Idee des Multitaskings entsprang vermutlich dem Wunsch nach mehr Effizienz, doch bei meinen Nachforschungen zu dem Thema komme ich für mich zu dem Schluss: Gut gemeint, aber funktioniert nicht wirklich.

Dann lieber Monotasking und mal ganz in eine Aktivität versinken dürfen.

In diesem Sinne wünsche ich dir eine schöne Vorweihnachtszeit, und freue mich wenn dir der Artikel gefällt und du ihn teilst oder mir deine Meinung in einem Kommentar hinterlässt!

Deine Silvia

[Photo credits to Benny Marty on Fotolia]